An der Memel, Roman

Der Herr Kreide trat vor seinen Krug, um sich das Wetter und die Memel anzusehen. Das Wetter war warm und milde. Die Sonne schien an dem blauen Himmel klar und hell auf Eis und Schneegestöber; die Vögel sangen und zwitscherten fröhlich in den nackten und kahlen Zweigen der Bäume. Sie begrüßten den Frühling in einer Natur, die noch ganz das Winterkleid trug. Der breite Memelstrom hatte noch seine feste und sichere, in der Frühlingssonne glänzende Eisdecke. ,,He, Du,...
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Der Herr Kreide trat vor seinen Krug, um sich das Wetter und die Memel anzusehen.
Das Wetter war warm und milde. Die Sonne schien an dem blauen Himmel klar und hell auf Eis und Schneegestöber; die Vögel sangen und zwitscherten fröhlich in den nackten und kahlen Zweigen der Bäume. Sie begrüßten den Frühling in einer Natur, die noch ganz das Winterkleid trug.
Der breite Memelstrom hatte noch seine feste und sichere, in der Frühlingssonne glänzende Eisdecke.
,,He, Du, wie lange schon?" fragte der Herr Kreide einen Knecht, der beschäftigt war, den Hof vor dem Krug rein zu fegen.
,,Was meinen Sie, Herr?" fragte der Knecht.
,,Ich meine, wie lange die Memel nun schon steht."
,,Ja, Herr Kreide, das läßt sich leicht nachrechnen. Wir schreiben heute den achtzehnten oder neunzehnten April. -"
,,Den achtzehnten," sagte Herr Kreide.
,,Den achtzehnten also, und am elften November stand sie. Ich weiß es ganz genau; am Martinitag vorigen Jahres fuhren wir mit dem Heuwagen über das Eis."
,,Ja, ja," sagte Herr Kreide. ,,Also über fünf Monate! Eine hübsche Zeit!"
,,Und hübsches Eis, Herr Kreide; fest und hart und dick, daß es bis auf den Grund des Stromes reichen kann. Wenn das losgeht, das wird ein Eisgang werden."
,,Und es wird bald losgehen, Christoph?"
,,Lange kann es nicht mehr dauern, Herr Kreide. Die Sonne scheint nun schon den vierten Tag hintereinander so, und am fünften muß dann die Memel gehen."
,,So sagt man. Unterdeß fahren heute noch die schwersten Frachtwagen darüber hin."
Es war so in dem Augenblick, da der Herr Kreide es sagte.
Drei große, hoch und schwer bedeckte Frachtwagen, jeder mit vier Pferden bespannt, kamen dicht hintereinander von der Stadt Tilsit her über den Strom herangefahren.